Hamas feuert mehr als hundert Raketen auf Tel Aviv

Hamas feuert mehr als hundert Raketen auf Tel Aviv

 

Raketen fliegen aus Gaza in Richtung der israelischen Küstenstadt Tel Aviv © Anas Baba/​AFP/​Getty Images

Bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen ist am Dienstagabend ein Hochhaus zerstört worden. Das zwölfstöckige Haus im Stadtzentrum von Gaza stürzte dabei vollständig ein. In dem Gebäude befanden sich mehrere Büros der Hamas. Nach Augenzeugenberichten wurden die Anwohner vor dem Angriff gewarnt und angehalten, das Haus zu verlassen. 

Kurz darauf ertönten in der zweitgrößten israelischen Stadt Tel Aviv die Luftschutzsirenen. Gleichzeitig war aus dem Gazastreifen Raketenfeuer zu hören. Videos, die die israelische Armee bei Twitter hochlud, zeigen, wie das Raketenabwehrsystem die Flugkörper in der Luft zerstörte. Einige schlugen jedoch dennoch auf israelischem Boden ein, mindestens eine Frau wurde in der Nähe von Tel Aviv getötet.

Ein Sprecher der Hamas hatte vor dem Angriff bereits mit einem "harten" Raketenangriff auf Tel Aviv gedroht, falls das Hochhaus in Gaza zerstört werden sollte. Die Hamas teilte mit, 130 Raketen auf Tel Aviv abgefeuert zu haben.   

Der Angriff folgte auf die Ankündigung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Angriffe auf das Palästinensergebiet als Reaktion auf massiven Raketenbeschuss zu verstärken. Die israelischen Streitkräfte flogen als Vergeltung Luftangriffe auf etwa 140 Ziele im Gazastreifen. Dabei seien 26 Menschen getötet worden, neun davon Kinder, hieß es von den Gesundheitsbehörden in Gaza. Mehr als 100 Menschen seien verletzt worden.

Hunderte Raketen Richtung Israel abgeschossen

Zuvor hatten militante Palästinenser innerhalb eines Tages rund 480 Raketen aus dem Gazastreifen Richtung Israel abgefeuert. 200 von ihnen fing das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome ab, 150 schlugen noch beim Start fehl, wie das israelische Militär mitteilte. Wahrscheinlich seien dabei auch auf palästinensischem Gebiet Menschen getötet worden.

Bei den Raketenangriffen auf Israel waren im Süden des Landes offenbar mindestens zwei Frauen getötet worden. Die Raketen trafen mehrere Häuser, teilte der israelische Rettungsdienst mit. Unter den getroffenen Gebäuden war auch eine zum Zeitpunkt des Einschlags leere Schule in Aschkelon. Die Kassam-Brigaden – der militärische Flügel der radikalislamischen Hamas – teilten mit, der Beschuss von Aschkelon sei die Reaktion darauf, dass das israelische Militär ein Wohnhaus im Westen des Gazastreifens angegriffen habe.

Ausgeführt worden seien die Angriffe mit Kampfflugzeugen und Drohnen. Beschossen worden seien Einrichtungen zur Produktion von Raketen, Lager- und Trainingseinrichtungen sowie militärische Stellungen. Zudem seien zwei Tunnel attackiert worden, die unterschiedlich weit fertiggestellt gewesen seien. In einem Tunnel wurde demnach eine Spezialeinheit der Hamas eingeschlossen. Die habe dort auf israelisches Gebiet vordringen wollen, um einen Angriff auszuführen.

Nahostkonflikt - Israel greift nach Raketenbeschuss Ziele im Gazastreifen an

Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis ist in den vergangenen Tagen erneut eskaliert. Bei israelischen Luftangriffen wurden offenbar mehrere Menschen getötet. © Foto: Mahmoud Khatab/AFP/Getty Images

Israelische Armee geht von weiterer Eskalation aus

Den Angaben zufolge geht Israels Armee von einer weiteren Zuspitzung des Konflikts aus. Ein Grund dafür sei die Intensivierung der Raketenangriffe durch die Hamas und die Gruppe Islamischer Dschihad. Mindestens 20 Mitglieder der beiden Organisationen seien seit Beginn der jüngsten Auseinandersetzungen getötet worden.

Bundesaußenminister Heiko Maas hat die massiven Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel verurteilt. "Dass es jetzt noch eine derartige Eskalation der Gewalt gibt, ist weder zu tolerieren noch zu akzeptieren, und das haben wir auch gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde sehr deutlich gemacht", sagte Maas am Abend bei seinem Italien-Besuch in Rom. Die Raketenangriffe müssten sofort beendet werden. "Israel hat in dieser Situation das Recht auf Selbstverteidigung", fügte Maas hinzu.

Der israelische Übergangsverteidigungsminister Benny Gantz ordnete laut Bericht der Zeitung Jerusalem Post die Bereitmachung von 5.000 Reservisten an. Israel bereitet sich demnach auf eine umfassende Militäroperation im Gazastreifen vor. Am Nachmittag kündigte auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Verschärfung der Angriffe an. Die Hamas werde "Schläge bekommen, die sie bislang nicht erwartet", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros nach einer Lagebesprechung mit Militärs.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern war in den vergangenen Tagen erneut eskaliert. In Jerusalem – und dort insbesondere auf dem Tempelberg – gab es im Laufe des muslimischen Fastenmonats Ramadan mehrfach schwere Zusammenstöße mit zahlreichen Verletzten. Auslöser waren unter anderem Polizeiabsperrungen an der Altstadt sowie drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im Viertel Scheich Dscharrah durch israelische Behörden.

Gewaltsame Demonstrationen von Arabern in Israel

Im Zuge der jüngsten Eskalation kam es auch in weiten Teilen Israels zu heftigen Konfrontationen. Vor allem in Ortschaften im Norden und Süden des Landes gab es Medienberichten zufolge zahlreiche gewaltsame Demonstrationen arabischer Israelis, bei denen Steine auf Polizisten geworfen wurden. Mehrere Fahrzeuge seien in Brand gesetzt worden. Fernsehreporter verglichen die Vorfälle mit dem zweiten Palästinenseraufstand (Intifada) vor zwei Jahrzehnten.

Polizeiangaben zufolge wurden bei den landesweiten Ausschreitungen Dutzende Menschen festgenommen. Die Polizei teilte mit, man werde entschlossen "gegen jeden Versuch vorgehen, Unruhe zu stiften, und Gesetzesbrecher zur Rechenschaft ziehen". Sie rief die arabische Führung, religiöse Vertreter und Eltern dazu auf, die jungen Demonstranten zu zügeln. Anderenfalls seien Opfer zu befürchten, die Gewalt könne den Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen schwer schaden.

Arabische Liga fordert Eingreifen des UN-Sicherheitsrats

Derweil geben arabische und weitere muslimische Staaten Israel die Schuld für die Eskalation. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit und die Arabische Liga warfen dem Land in einer Erklärung Provokationen während des Ramadan vor. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit sprach in einer Stellungnahme der 57 Mitgliedsstaaten von "barbarischen Angriffen" und einer "Provokation der Gefühle von Muslimen auf der ganzen Welt". Israel breche das Völkerrecht.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, forderte ein Eingreifen des UN-Sicherheitsrates. Israel sei eine "Besatzungsmacht", die eine "rücksichtslose Politik" verfolge und zu Gewalt anstifte. Der Sicherheitsrat hatte am Montag in einer Dringlichkeitssitzung über die Lage in Jerusalem beraten. Auf eine gemeinsame Erklärung konnten sich die Ratsmitglieder dabei allerdings nicht einigen.